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Referat

Voten der SVP zur Rückweisung und zum Eintreten auf die Totalrevision der Gemeindeordnung

Votum zum Rückweisungsantrag der Totalrevision Gemeindeordnung
Gemeinderätin Dr. Maria Wegelin

Geschätzter Herr Präsident,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
liebe Kolleginnen und Kollegen

Die SVP stellt den Rückweisungsantrag für das Geschäft 2020.47 Totalrevision Gemeindeordnung und ich möchte Ihnen gerne darlegen wieso.

Ich war fünf Jahre KSP-Mitglied. Als ich dieses Amt übernommen habe, hatte ich kaum eine Vorstellung, was eine Schulpflege eigentlich macht. Und ich bin überzeugt, dass die Mehrheit in dieser Halle ebenfalls nicht genau weiss, was zum Amt eines Schulpflegers gehört. Und trotzdem hat jeder hier drin eine Meinung, wie die Gemeindeordnung hinsichtlich der Schulbehörde geändert werden soll.

Ich war mit Leib und Seele Schulpflegerin und einer Schule zugeteilt, die von diversen Schulleiterwechseln durchgeschüttelt wurde und zeitweise auch ohne Führung den Laden „schmeissen“ musste. So war ich das Bindeglied und einzige Konstante, bei der alles zusammenlief. Die Lehrpersonen schätzten es sehr, dass sie eine Ansprechperson hatten. Wann immer möglich nutzte ich die grosse 10 Uhr Pause, um mit dem Team einen Kaffee zu trinken und mich auszutauschen, wodurch ich gut integriert und Teil des Teams wurde. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Unterrichtsbesuchen nahm ich unter anderem an Weiterbildungen und an Besuchstagen teil und wohnte den Präsentationen der Abschlussarbeiten bei. Die Jungs der schwierigsten Klasse nähten für mich ein „Chriesisteichüssi“, und auf der Marktgasse wurde ich von den Schülern gegrüsst.

Die Aufgabe als Schulpflegerin war aber auch nicht immer leicht. Schliesslich musste ich die Behörden vertreten, doch mit viel Wohlwollen, einem offenen Ohr und Interesse ist mir dieser Spagat gelungen. Als wir dann für diese Schule endlich einen neuen Schulleiter anstellen konnten, war er etwas nervös, als er erfuhr, dass ich in der SVP bin – warum auch immer. Als ich in den Gemeinderat nachrutschte, musste ich meine Aufgabe als Schulpflegerin leider aufgeben. Bei meiner Verabschiedung erzählte mir dieser neu eingestellte Schulleiter, dass er mir gegenüber wegen meiner Parteizugehörigkeit doch gewisse Vorbehalte hatte. Sein Dank an mich endete aber mit seiner ganz individuellen Deutung des Kürzels meiner Partei. Dieses stehe für «Schule vor Politik». Was will ich Ihnen mit diesen Ausführungen sagen? Ich kann nur für unsere Kreisschulpflege sprechen, aber bei uns war die Parteizugehörigkeit (fast) völlig egal. Weil es um die Schule ging und mit ihr um die Bildung unserer Kinder. Da spielte das Parteiprogramm maximal eine untergeordnete Rolle. Bei unseren regelmässigen Kreisschulpflegesitzungen im Gremium war ein fixer Traktandenpunkt der Austausch, wie es in den verschiedenen Schulen läuft, wo es Probleme gibt, wo Schulleitungen von einem Burnout bedroht sind etc. etc. Man besprach mögliche Lösungen und jeder wusste, wo man sein Augenmerk ganz besonders draufhalten musste. Und um mal klar zu stellen, die Kreisschulpräsidien sind keine kleinen Königreiche, wie man das immer wieder hört. Kreisschulpflegen sind Gremien, jedes Mitglied mit einer Stimme. Auch das Präsidium hat lediglich eine Stimme und muss sich dem demokratischen Entscheid des Gremiums beugen. Mit der jetzt vorgesehenen Machtverschiebung hin zum Stadtrat kann man schon eher von einem Königreich sprechen. Der Stadtrat als König und der Bereichsleiter Bildung als Berater.

Sie sehen, das Amt als Kreisschulpflegemitglied beinhaltet weit mehr, als nur die Lehrpersonen während einer Lektion zu besuchen. Es geht auch darum, der Schule vor allem in schwierigen Zeiten mit Rat und Tat, einer anderen Optik und Lebenserfahrung, niederschwellig zur Verfügung zu stehen.

Ich hoffe, Sie haben nun eine Ahnung davon, was eine Schulpflege bzw. ein einzelnes Mitglied der Kreisschulpflege macht. Und nun sagen Sie mir ehrlich, haben Sie wirklich das Gefühl, dass ein Beamter, der in Konstanz oder Frauenfeld wohnt, wirklich einen besseren Job machen wird? Nebenbei, um zukünftig als einfaches Wahlbüromitglied gewählt werden zu können, steht die Idee im Raum, dass der Wohnsitz in Winterthur sein muss.

Und wenn Sie den Eindruck haben oder der Meinung sind, dass Eltern mittels eines Elternrats ein Mitspracherecht haben, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Falls die Schulleitung kulant ist, eine gute Beziehung zum Elternrat besteht, dann geht die Schulleitung vielleicht auf den einen oder anderen Vorschlag der Eltern ein. Sie muss aber nicht. Daher ist diese Form der Elternpartizipation eine reine Alibiübung. Wenn Eltern sich in Sachen Schule einbringen wollen, würden wir als Parteien gut daran tun, solche Leute zu ermutigen, das Amt als Schulpfleger auszuüben. Einfach gesagt, als Schulpfleger vertritt man die Eltern in Sachen Schule, so wie wir als Gemeinderäte die Bewohner von Winterthur in stadtbezogenen Angelegenheiten vertreten.

Traurig finde ich, dass es in der Debatte um die Schulbehörden darum geht, was im eigenen Parteiprogramm steht. Wir sollten endlich lernen, die Leute an der Front ins Boot zu holen, die Leute zu fragen, die direkt betroffen sind. Ein Beispiel ist der Artikel 42 der neuen Gemeindeordnung. Die Lehrpersonen wären froh und halten es für zwingend notwendig, dass an den Sitzungen der Schulpflege je eine Primar- und eine Sekundarlehrperson mit beratender Stimme teilnehmen können. Und nicht wie vorgesehen nur noch eine Lehrperson. Weiter äusserten sich mehrere Lehrpersonen deutlich, dass mit der neuen, radikal verkleinerten Schulpflege die persönlichen Kontakte zur Schüler-, zur Eltern- und zur Lehrerschaft fehlen, dass die lediglich noch sechs Volksvertreter und Vertreterinnen wegweisende strategische Entscheide fällen würden und deshalb auf beratende Fachpersonen für ihre Meinungsbildung angewiesen seien.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, die letzten paar Tage, in denen ich zu dieser Thematik viele Gespräche geführt habe, haben mir gezeigt, dass mit der vorliegenden Schulbehördenreorganisation eigentlich niemand wirklich zufrieden ist. Das zeigt auch die Synopse, denn beim Thema Schulbehörden stehen weitaus am meisten Änderungsanträge im Raum.

Dass aber offenbar weite Teile dieses Rates diese Reorganisation der Schulbehörden im Rahmen einer Totalrevision der Gemeindeordnung mit der Faust im Sack oder zähneknirschend trotzdem gut heisst stimmt nachdenklich. Die Schule ist eine derart wichtige Institution, dass eine so massive Reorganisation der Schulaufsicht nicht in einer Totalrevision der Gemeindeordnung versteckt werden sollte. Dafür ist und bleibt die Schule ein zu wichtiges Thema.

Ich bitte Sie – im Sinne der Schule und der Schulbildung unserer Kinder – unserem Rückweisungsantrag zuzustimmen, damit der Teil der Schulbehörden von der vorberatenden Kommission oder eventuell einer neuen Kommission nochmals in Ruhe ausgearbeitet werden kann. Diese Gemeindeordnung mit den Änderungen der Schulbehörden ist definitiv noch nicht reif für eine Abstimmung und die Schule ist viel zu wichtig, als dass man dieses Geschäft mit einem flauen Gefühl in der Magengegend durchwinken sollte.

Schule vor Politik! Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.

 

Votum Eintretensdebatte zur Totalrevision der Gemeindeordnung
Gemeinderat Davide Pezzotta

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Geschätzte anwesende Damen und Herren

Bevor wir über den Inhalt der neuen Gemeindeordnung sprechen ist es mir ein Anliegen die gute Zusammenarbeit innerhalb der Kommission zu erwähnen. Auch oder obschon zum Teil grosse Meinungsunterschiede herrschten und herrschen, war die Zusammenarbeit konstruktiv und respektvoll.

An dieser Stelle möchte ich mich namentlich beim Präsidenten Andreas Geering bedanken, welcher die Kommission gut vorbereitet und effizient führte. Auch bedanken möchte ich mich beim Stadtpräsidenten Michael Künzle, welcher an jeder Sitzung teilnahm, sowie auch den Stadträten Jürg Altwegg, Kaspar Bopp und Nicolas Galladé, welche bei den betreffenden Bereichen ihre Standpunkte vertraten. Zuletzt möchte ich selbstverständlich auch noch Marc Bernhard erwähnen – welcher praktisch immer vor Ort war und uns mit seinem juristischen Knowhow immer wieder unterstütze, sowie Herr Marcel Wendelspiess und Frau Eva Weishaupt. Sie sehen juristisch war die Kommission sehr gut besetzt. Zum Abschluss geht mein Dank auch an die Protokollführerin Andrea Fatzer, respektive an Herrn Philippe Wenger, welche uns unglaublich schnell mit Protokoll und Erfassung der neusten Änderungsanträge bedienten. Wohlwissend, dass ich vermutlich nicht an alle gedacht habe – und das Weglassen oft genauer unter die Lupe genommen wird – geht mein Dank auch an alle anderen, welche die Sitzungen bereichert haben.

Wie sie alle wissen, verbleibt der Gemeinde nach Bundes- und Kantonsrecht eine relativ kleine Restkompetenz. Oft ist sie für die Finanzierung von Leistungen verantwortlich, welche sie aber nicht direkt beeinflussen kann. Grosse Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben der Gemeinde noch bei der Volksschule oder im Bereich der Finanzkompetenzen. Wie sich im Vernehmlassungsverfahren gezeigt hat, sind dann auch die grössten politischen Unterschiede hier zu finden, nämlich bei der «Behördenorganisation im Schulbereich» oder bei den «Kompetenzlimiten» im Finanzbereich.

„Bei näherer Betrachtung der Weisung des Stadtrates betreffend die neue Gemeindeordnung ist den auch der rote Faden klar zu erkennen, und zwar im doppelten Sinn: Weg vom Volk, hin zum Stadtrat.

Sowohl die Abschaffung der Volkswahl der Stadtammänner und Frauen wie die faktische Abschaffung der Schulpflege oder aber die Verschiebung der Finanzkompetenzen in Richtung Stadtrat zeigt augenscheinlich wohin die Reise geht. Wieso die Kompetenz für wiederkehrende Ausgaben ausserhalb des Budgets von 20’000 auf 50’000 erhöht werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Auch die Verdoppelung der Grenzen für das obligatorische Referendum bei einmaligen oder wiederkehrenden Verpflichtungskrediten erscheint uns unverhältnismässig. Leider werden wir heute auf weitere Anträge des Stadtrates stossen, welche noch mehr Kompetenz auf sich reissen will, als wäre der Kommissionsvorschlag nicht gut genug.

Ein einfacher Vergleich zwischen die Erhöhung der Finanzkompetenz und der Teuerung der letzten dreissig Jahre macht diese Verschiebung klar erkennbar. Wenn man die Teuerung zwischen 1989 (Jahrgang unserer geltenden Gemeindeordnung) und heute vergleicht, dann liegt diese über die ganze Periode bei rund 30%. Die Finanzkompetenzen der Exekutive in der Weisung des Stadtrates und im Entwurf haben sich aber teilweise mehr als verdoppelt. Solche Teuerungsraten herrschen vielleicht in Venezuela aber nicht in Winterthur. Nebenbei bemerkt sind die Gründe für diese Hyperinflation in Venezuela die Staatsfinanzierung durch Gelddrucken – was faktisch einem Staatsbankrott gleichkommt. So viel zur Behauptung ein Staat kann nicht Konkurs gehen… Aber so weit sind wir vorderhand nicht in Winterthur.

Angesichts des vorliegenden Entwurfes frage ich mich, ob der Stadtrat dem Volk noch traut – oder ob das Volk im Stadtrat vielleicht falsch abgebildet ist. Auch wenn die Gemeindeordnung sich der Zeit anpassen muss, was wir grundsätzlich unterstützen, können wir eine Entfremdung in diesem Umfang nicht hinnehmen. Es geht hier nicht um ein Misstrauensvotum gegenüber dem Stadtrat, sondern um Checks and Balances. Es geht um die Wahrung der Verhältnismässigkeit, es geht um die horizontale Gewaltenteilung.

Wir sind der Meinung, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Gemeindeordnung derart fundamental und demokratiepolitisch kritisch sind, dass uns eine Korrektur unausweichlich erscheint. Besonders die Schule wird ohne wichtige Gründe komplett umgekrempelt und praktisch vollständig der Verwaltung unterstellt. Eine Kontrolle durch das Volk ist durch diese Konstruktion praktisch nicht mehr möglich. Hier ist wiederum eine klare Verschlechterung der Checks and Balances zu erkennen. Man wird den Gedanken nicht los, als sei dem Stadtrat eine Verbindung zwischen Schule und Bevölkerung nicht mehr geheuer. Eine solche Zentralisierung und Entfremdung der Schule sollte uns nachdenklich stimmen. Die vorgeschlagenen sechs nebenamtlichen Schulpflegerinnen und Schulpfleger, welche notabene vier vollamtliche Zentralschulpflegepräsidenten und -präsidentinnen und 47 Mitglieder der Schulkreise ersetzen, sollen dann aber nur teilamtlich tätig sein.

Diese Entwicklung weg vom Volk, hin zum Stadtrat geht dann auch weiter und macht keinen Halt bei den Stadtamtsfrauen und Stadtammänner und bei den Finanzen. Gerade angesichts der städtischen Finanzlage ist die Kompetenzverschiebung Richtung Stadtrat unerklärlich. Seit 2007 ist der Schuldenberg regelrecht explodiert von rund 300 Mio. auf über 1.2 Milliarden und auch wenn wir aufgrund des tiefen Zinsniveaus und der hoffentlich langfristig gebunden Schulden wenig Zinsen bezahlen, sollten wir bereits heute an eine allfällige Zinslasterhöhung und an den Schuldenabbau denken. Die Verschiebung der Finanzkompetenzen Richtung SR verhindert aber den benötigten Schuldenabbau und fördert Mehrausgaben ohne Korrekturmöglichkeiten.

Sie haben heute dem Rückweisungsantrag der SVP nicht zugestimmt, wir respektieren diesen Entscheid, hoffe aber, dass sie in der Lage und willens sind, substanzielle Korrekturen am Entwurf vorzunehmen. Unserer Meinung nach sind Korrekturen im Bereich der Schule, der Finanzkompetenzen und der Wahl der Stadtammänner zwingend nötig, damit die Gemeindeordnung durch das Volk angenommen werden kann. Ohne substanzielle Änderungen in diesen Punkten kann die SVP-Fraktion der Vorlage nicht zustimmen. Entsprechende Änderungsanträge werden im Verlauf der Debatte durch die SVP gestellt und wir hoffen, dass die Mehrheit im Saal diesen konstruktiven Anträgen zustimmen wird, damit wir die Vorlage doch noch in eine vernünftige Richtung bringen können.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

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SVP Stadtparlamentarierin (ZH)
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