Budgetdebatte unter umgekehrten Vorzeichen, Zürcher Bote vom 29. Januar 2021
AUS DEM WINTERTHURER GEMEINDERAT
Nachdem eine Mehrheit des Grossen Gemeinderates im November das Budget an den Stadtrat zurückgewiesen hatte, startete am Montag die Debatte zum zweiten Vorschlag. Einig waren sich alle Parteien darüber, dass man mit dem neuen Budget nicht wirklich zufrieden ist – jedoch mit sehr unterschiedlichen Begründungen.
Die Beratung des Budgets lief in den letzten Jahren im Grossen Gemeinderat immer nach dem ziemlich gleichen Drehbuch ab. Der Stadtrat präsentierte – sekundiert von den linken Parteien – seinen Antrag, die Vertreter der bürgerlichen Parteien versuchten dagegen zu halten und bei der Ratslinken begnügte man sich damit, im richtigen Moment den Arm zu heben. Am Ende resultierte jeweils eine Zustimmung zu einem Budget, an welchem lediglich noch kosmetische Änderungen vorgenommen worden waren.
Nachdem der Stadtrat im letzten Herbst unter dem Label «eine lebenswerte Grossstadt hat halt ihren Preis» eine Steuerfusserhöhung von satten sieben auf 129 Prozent präsentiert hatte, dämmerte es jedoch auch den Vertretern bis weit in die Reihen der Mitte-links-Parteien hinein, dass es so nicht weitergehen kann. Eine Koalition von SVP, FDP, CVP, EDU, GLP und EVP verdonnerte den Stadtrat zum Nachsitzen und wies das Budget zurück mit der Folge, dass die Stadt Winterthur mit einem Notbudget ins neue Jahr gestartet ist.
Drei statt sieben Prozent Steuererhöhung
Am Montag hatte das Parlament nun über das Budget 2.0 zu entscheiden und über eine Steuerfusserhöhung von drei statt den ursprünglichen sieben Prozent. Auch wenn die Einsparungen von 7 Millionen Franken, welche der Stadtrat gegenüber dem ersten Budget vorgenommen hatte, bei Ausgaben von insgesamt rund 1,649 Milliarden Franken bescheiden anmuten, wollte die linke Ratsseite dies nicht auf sich sitzen lassen. SP und Grüne präsentierten ein Paket von Erhöhungsanträgen, welche den Steuerzahler rund 10 Millionen Franken zusätzlich kosten würden. Dies führte zur paradoxen Situation, dass die bürgerliche Ratsseite, allen voran die SVP, das überarbeitete Budget des linksdominierten Stadtrates zu verteidigen hatte, während die Ratslinke die Sparbemühungen ihres eigenen Finanzvorstandes bekämpfte.
Dass man jedoch auch bei den Bürgerlichen mit dem neuen Budgetvorschlag des Stadtrates nicht wirklich zufrieden ist, betonte Tobias Brütsch (SVP) in der Eintretensdebatte: «Das jetzige Budget ist der kleinste gemeinsame Nenner derjenigen Parteien, welche sich darum bemüht haben, den Schaden in Form einer noch grösseren Steuererhöhung in Grenzen zu halten.» Nach wie vor sei jedoch nicht erkennbar, dass der Stadtrat nachhaltig sparen wolle und die Leistungen in der Verwaltung ernsthaft auf den Prüfstand stelle oder mögliche Synergien prüfe. Aufgrund der derzeitigen ausserordentlichen Situation, welche sich auch auf die Stadtfinanzen auswirkten, sei man bereit, die «Kröte» Steuererhöhung zu schlucken. Man erwarte jedoch, dass der Stadtrat dafür seine Hausaufgaben mache und v.a. den Finanz- und Aufgabenplan überarbeite.
Hilfe kommt
Keine Chance hatten die an diesem Montagabend behandelten Erhöhungsanträge der SP, welche zur Hauptsache aus einem Corona-Hilfspaket von 8 Millionen Franken bestanden. «Reiner Aktionismus und nicht Aufgabe der finanziell notleidenden Stadt», lautete das Verdikt der Mehrheit im Rat, insbesondere nachdem der Kantonsrat am gleichen Tag den Kredit zum Ausbau der Härtefallhilfen verabschiedet hatte. SVP-Fraktionspräsident Thomas Wolf, welcher als Wirt direkt betroffen ist, betonte zudem, dass auch bei der Corona-Unterstützung gewisse minimale Anforderungen gelten sollen. «Wer beispielsweise im Krisenjahr 2020 eine Firma gegründet hat, trägt auch eine gewisse Selbstverantwortung und sicherlich ist es nicht Aufgabe der Stadt Winterthur, jeden Betrieb zu retten.» Die entsprechenden Erhöhungsanträge
der SP wurden schliesslich mit 34:25 Stimmen abgelehnt.
Der Grosse Gemeinderat wird am nächsten Montag die Budgetdebatte fortsetzen.